Die demografische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland hat Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Nach Berechnungen des statistischen Bundesamtes verändert sich die Geburtenziffer seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Während sie im Jahr 1965 noch bei 2,32 liegt, unterschreitet sie im Jahr 1970 den Wert 2,0 und damit die Reproduktionsfähigkeit der Bevölkerung. Derzeit liegt die Geburtenziffer bei 1,39. Das bedeutet eine kontinuierliche Verringerung der Bevölkerungszahl. Die schrumpfende Bevölkerung wird durch den medizinischen Fortschritt hingegen immer älter, so dass sich das Verhältnis von Hochbetagten zur Gesamtbevölkerung verändert. Die Bundesregierung gibt im Jahr 2013 eine Studie in Auftrag, die die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur untersucht: „Auch wenn mit der steigenden Lebenserwartung die Lebensjahre in Gesundheit zunehmen, wird es zukünftig immer mehr hochbetagte Senioren geben. Während ihr Anteil im Jahr 1871 noch unter 1 % lag, gehören heute bereits mehr als 5 % der Bevölkerung zu dieser Altersgruppe und bis zum Jahr 2060 wird mit einem Anstieg auf 14 % gerechnet. Das heißt, jeder Siebente wäre in Deutschland im Jahre 2060 mindestens 80 Jahre alt. Damit wäre der Anteil 80-Jähriger und Älterer nur geringfügig niedriger als der der unter 20-Jährigen.“ In absoluten Zahlen ausgedrückt „leben heute in Deutschland über vier Millionen Menschen, die älter als 80 Jahre sind.“ Im Jahr 2050 steigt diese Zahl auf ungefähr 10 Millionen Menschen an, was einen tiefgreifenden Wandel des Pflegebedarfs und einen hohen Bedarf an Pflegekräften ausmachen dürfte: „Gegenwärtig gelten etwa 2,3 Millionen Menschen in Deutschland als pflegebedürftig im Sinne des XI. Sozialgesetzbuches. Folgt man den Status-quo-Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, dürfte diese Zahl innerhalb der nächsten beiden Jahrzehnte um die Hälfte auf etwa 3,4 Millionen wachsen.“
Dieser Wandel in der Bevölkerungsentwicklung verändert die Rahmenbedingungen in der Pflege, da nicht nur der Anteil der Pflegebedürftigen zunimmt, sondern gleichzeitig auch der Anteil derjenigen, der ohne familiäre Bindung ist. Auch wenn die Pflege älterer Menschen noch zum Großteil von zumeist weiblichen Familienangehörigen geleistet wird, verringert sich dieses traditionelle Pflegepotential in den nächsten Jahrzehnten zu Ungunsten der öffentlichen Gesundheitssysteme. Derzeit werden noch 2/3 aller Pflegebedürftigen von Familienangehörigen versorgt. Die traditionellen Familienstrukturen aber, in denen Frauen als Töchter, Schwiegertöchter, Ehefrauen und Mütter die Hauptlast der Familienpflege tragen, lösen sich zunehmend auf, weshalb der Bedarf an Pflegekräften steigt. Zum einen hat sich der Anteil der berufstätigen Frauen erhöht und damit die familiären Pflegeleistungen verringert. Zum anderen verringert der Geburtenrückgang die Möglichkeit, dass Kinder die Pflege ihrer Eltern überhaupt noch in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus lässt sich ein Wandel der Arbeitswelt betrachten, der zunehmende Mobilität von der erwerbstätigen Bevölkerung abverlangt. Das Modell der vier- bis fünfköpfigen Familie, in der ein zumeist männlicher Alleinverdiener an einem Ort 45 Jahre beschäftigt ist, verändert sich zugunsten einer individualisierten Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichermaßen an unterschiedlichen Orten in immer kürzeren Beschäftigungsverhältnissen erwerbstätig sind. Die berufliche Emanzipation von Frauen mit einer einhergehenden Mobilität der Arbeitswelt insgesamt führt zur Auflösung von traditionellen Familienstrukturen; familiäre Versorgungsleistungen verringern sich und damit der „intergenerationelle Unterstützungskoeffizient“.
Dieser Koeffizient zeigt das familiäre Unterstützungspotenzial. Das heißt, in welchem Verhältnis ältere Menschen in Zukunft mit der Pflege durch Jüngere rechnen können bzw. in welcher Form dieses Potenzial bei steigender Lebenserwartung abnimmt. Er setzt die Zahl der Menschen ab 80 Jahren ins Verhältnis zur Größe der nachfolgenden Generation zwischen 50 und 64 Jahren – also der Generation der Söhne und Töchter der ab 80-Jährigen. „Vor allem nach 2020, wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus der Altersgruppe der bis 65-Jährigen ausscheiden, wird die zahlenmäßige Relation zwischen den Hochbetagten und ihrer Kindergeneration immer ungünstiger werden.“ Das bedeutet für die Zukunft, dass ein geringer werdendes familiäres Unterstützungspotenzial mitsamt den Veränderungen in der Arbeitswelt und dem parallel dazu verlaufenden Wertewandel in der Gesellschaft dazu führen werden, dass immer mehr Pflegebedürftige auf immer weniger pflegende Angehörige hoffen dürfen.
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